Buchkritik: Bernd Ingmar Gutberlet, Grandios gescheitert
Freitag, 4. Mai 2012
Kein Gold aus der Alchimistenküche
Bernd Ingmar Gutberlet entlarvt die missglückten Erfindungen
In dem Buch "Grandios gescheitert" von Bernd Ingmar
Gutberlet geht es nicht um versponnene Erfindungen
ohne Sinn. Nein, es geht um durchaus vielversprechende
Projekte wie die Weltsprache Esperanto, Henry Ford's
"Fordlandia" in Brasilien oder um die Ausrottung
der Kinderlähmung auf der ganzen Welt. Und nicht alles
war ein Totalausfall wie der Berliner Historiker
Gutberlet anhand vieler Quellen tiefgründig
recherchiert hat. Das Gold das die Menschheit schon
immer faszinierte, sollte von Alchimisten künstlich
hergestellt werden. Leider gab es nur allzuviele
Scharlatane unter ihnen. Dieses Beispiel bildet den
Auftakt des Sachbuches. Das Vorhaben misslang bisher
komplett. Allerdings gelang es Forschern im US-amerikanischen
Berkeley Laboratory in Kalifornien 1980 mittels eines
Teilchenbeschleunigers aus Bismut Gold zu machen. Doch
die Forscher investierten rund 10.000 US-Dollar für
einen Gegenwert von einem Milliardstel Cent. Kein lohnendes
Geschäft also. Ganz besonders spannend liest sich die
Geschichte von dem US-amerikanischen Henry Ford, der den
American Dream schlechthin verkörperte. 1863 wurde er als
Sohn eines Farmers in Michigan geboren und gehörte Anfang
des 20. Jahrhunderts zu den drei größten Automobilherstellern
der USA. Mit einem Ford T fing alles an. Ford war so
beeindruckend für die Menschheit wie eins Bill Gates 100
Jahre später. Er war ein Selfemademan mit unerschütterlichem
Selbst- und Sendungsbewusstsein. Da er für den Autobau
Kautschuk benötigte und es ihn ärgerte, dass die Briten den
Brasilianern den Rang bei der Kautschukproduktion streitig
gemacht hatten, stieger auch er in dieses für ihn fremde
Metier ein. Er investierte in Brasilien sehr viel Geld,
ließ neben den Plantagen auch Häuser, Schulen, Straßen aus
Teer und Krankenhäuser bauen. Doch er wollte wie ein
Patriarch, dass die brasilianischen Arbeiter den American
way of life annahmen. In seinen Augen sollten sie
diszipliniert sein, keinen Alkohol trinken, unbestechlich
sein und im eigenen Garten Gemüse anbauen. Das Projekt
scheiterte, trotz der vielen Vorzüge als Arbeitnehmer von
Henry Ford mit allen Vergünstigungen. Einmal, weil Ford
den falschen Samen anpflanzen ließ und zweitens wegen
seiner Inakzeptanz der anderen Mentalität. Ford verlor
deshalb immer mehr Arbeitskräfte. Es wurde ein Verlustgeschäft.
Für sein "Fordlandia" berappte der Tycoon rund 25 Millionen
US-Dollar. Henry Ford II verkaufte alles an Brasilien für
gerade einmal eine halbe Million Dollar. Das erschütterndste
Modell für ein Scheitern ist die Ausrottung der Kinderlähmung.
Noch heute existieren Fälle von Polio in Indien, Tadschikistan,
Russland, Turkmenistan und Kasachstan. Die WHO hat es sich
zum Ziel gesetzt, bis Ende 2012 Polio weltweit durch eine
Impfung besiegt zu haben. Das Buch ist ein wissenswerter
Streifzug durch die Epochen mit außergewöhnlichen Entdeckungen
und gleichzeitig der Analyse des Scheiterns. Ein Stoff, der
sich auch für Schulen als Stoff eignet.
(c) Corinna S. Heyn
Bernd Ingmar Gutberlet,
Grandios gescheitert.
Misslungene Projekte in der Menschheitsgeschichte.
Bastei Lübbe 2012.
Hardcover
Preis: 16,99 Euro
www.luebbe.de
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